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Leben

Dagmar Mirbach
Alexander Gottlieb Baumgarten (1714-1762): Leben

1714 Am 17. Juni wird Alexander Gottlieb Baumgarten als fünfter von sieben Söhnen des lutheranischen, pietistisch orientierten, ersten Garnisonspredigers Jacob Baumgarten, später Prediger der evangelischen Gemeinde Friedrichswerda und Dorotheenstadt, und dessen Frau Rosina Elisabeth, geb. Wiedemann, geboren (Meier, 5).
Bekannte Brüder: Siegmund Jacob (1706-1754), August Joseph (gest. 1722), Samuel Eusebius (geb. 1711) und Nathanael (gest. 1763).
1717 Tod der Mutter. Alexander Gottlieb und seine Brüder wachsen unter Obhut der Großmutter Anna Barbara Wiedemann, geb. Kubitz, in Berlin auf (Meier, 5).
1722 Tod des Vaters.
Im Alter von 8-13 Jahren darf Alexander Gottlieb, unter Fürsprache des Konsistorialrats und Probstes zu St. Nicolai, Michael Roloff, und mit Erlaubnis des Hofrats Krackau, am Privatunterricht des Hauslehrers Martin Georg Christgau, später Rektor der Universität zu Frankfurt/ Oder, teilnehmen, unter dessen Anleitung er Hebräisch lernt und sich vornehmlich für die lateinische Poesie begeistert (Meier, 8-9).
1727 Für ein halbes Jahr Besuch des Gymnasiums des Grauen Klosters in Berlin, wohin er seinem Lehrer Christgau folgt.
Im Herbst Wechsel auf die Lateinschule des Franckeschen Waisenhauses in Halle zur Vorbereitung des – vom verstorbenen Vater erwünschten – Studiums der Theologie. Gast im Hause und am Tisch der Familie Francke (Meier, 10).
In den letzten eineinhalb Jahren an der Schule besucht Alexander Gottlieb Baumgarten die sogenannte "Selecta", die "Klasse der Auserlesenen", in der er die Theologie, Recht und Medizin studiert – wobei die Theologie in dem von Francke geprägten pietistischen Halle den Lehrplan maßgeblich bestimmt. Außerdem wird er in der "Klasse der Auserlesenen" in den Fächern Latein und Philosophie von seinem Bruder Siegmund Jakob, derzeit Inspektor an der lateinischen Schule des Waisenhauses, unterrichtet. Dieser lehrt, bereits um 1728, unter dem Deckmantel des Waisenhauses, die aufgrund ihres Rationalismus und Determinismus für religionsfeindlich erklärte Philosophie des 1723 aus Halle vertriebenen Christian Wolff.
1730 Um Michaelis Beginn des Studiums der Theologie, Philosophie und der "schönen Wissenschaften" (Poetik und Rhetorik) an der Universität Halle.
In der Theologie hört Baumgarten Joachim Justus Breithaupt, Joachim Lange, Joh. Liborius Zimmermann und Gotthilf Francke (Meier, 10).
In der Philologie Joh. Heinrich Michaelis und den Sprach- und Bibelforscher Christian Benedikt Michaelis.
In der griechischen, syrischen und arabischen Sprache wird er von Johann Heinrich Schulze unterrichtet, der ihm auch Einblick in die Münz- und Altertumskunde gibt (Meier, 10-11).
Mathematik-Stunden bei dem Studenten Baumann, später Besuch der Vorlesungen des Mathematikers Otto.
Besuch eines Kollegs über Politik und Übungen im Disputieren bei dem Bruder Siegmund Jacob, später bei demselben, als dieser Adjunkt der theologischen Fakultät wird, auch Unterricht in der "Gottesgelahrtheit" (Meier, 11).
1733 Spätestens zu diesem Zeitpunkt Fortsetzung des unter Anleitung von Siegmund Jacob begonnenen, autodidaktischen Studiums der Philosophie Wolffs und Leibniz", vor allem anhand der Schriften zweier "Wolffianer": Georg Bernhard Bilfingers Dilucidationes philosophicae (1725) und später Johann Peter Reuschs Systema metaphysicum (1735).
Bei gelegentlichen Aufenthalten an der gegenüber der rationalistischen Philosophie aufgeschlosseneren Universität Jena hört Baumgarten Reusch und andere Anhänger von Wolffs Philosophie, Jakob Carpov und Heinrich Köhler persönlich, ebenso den Mathematiker Hamberger (Meier, 12).
In seinen eigenen Lehrstunden, die Baumgarten gegen Ende seines Studiums zu geben beginnt und die vor allem der lateinischen Dichtkunst und der "Vernunftlehre" gewidmet sind, erläutert er die ihm auferlegte Logik von Johann Gottlieb Heineccius (Elementa philosophiae rationalis et moralis, 1728) nach Wolff.
Schüler Baumgartens sind dabei u. a.: Reichard, später Professor und Rektor in Magdeburg, und Johann Jakob Wippel, später Prorektor des Grauen Klosters in Berlin (Meier, 14).
Nach der Ernennung des Bruders Siegmund Jacob zum "ordentlichen öffentlichen Lehrer der Gottesgelahrtheit", 1734, zieht Baumgarten in dessen Haus ein. Er nimmt an seines Bruders für höhere Semester bestimmten Stunden zur Auslegung der hebräischen Bibel teil und veranstaltet selbst Kollegien über Wolffs Vernunftlehre (Meier, 14-15).
1735 Am 26. Februar Abschluß des Studiums als Magister der Philosophie mit einer Inauguraldisputation,
Disputatio chorographica inauguralis, notiones superi et inferi indeque adscensus et descensus in Chorographiis sacris occurentes, evolvens (Meier, 46),
unter Vorsitz von Christian Benedikt Michaelis.
Bereits ab dem Sommer hält Baumgarten eigene Veranstaltungen an der Universität, so eine Vorlesung über Wolffs Vernunftlehre und Kollegien zur Philologie.
Im September Veröffentlichung seiner Magisterarbeit,
Meditationes philosophicae de nonnullis ad poema pertinentibus (Philosophische Betrachtungen über einige Bedingungen des Gedichts),
für die er die "venia legendi" erhält.
Beginn der Arbeit an der Metaphysica.
1736 Erste Krankheitszeichen von Baumgartens Lungenleiden (Tuberkulose). Von Herbst bis Ende des Jahres Genesungsaufenthalt in Berlin.
1737 Zu Beginn des Jahres Wiederaufnahme der Lehrtätigkeit in Halle. Baumgarten lehrt u. a. Philosophische Enzyklopädie, Philosophiegeschichte, Logik, Metaphysik, Naturrecht, Ethik, natürliche Theologie sowie, in Kollegien mit beschränkter Teilnehmerzahl, Jesaja, hebräische Grammatik und über Gottscheds Erste Gründe der gesamten Weltweisheit (1733-34).
Offenbar erste Vorarbeiten zur Philosophia generalis (Meier, 17-18), die 1770 postum durch Johann Christian Foerster veröffentlicht wurde.
Zu Ende des Jahres Ernennung zum "außerordentlichen öffentlichen Lehrer der Weltweisheit" an der Universität Halle (Meier, 18).
1738 Veröffentlichung der anlässlich des Amtsantritts 1737 verfaßten Einladungsschrift:
De ordo in audiendis philosophicis per triennium academicum quaedam proximae aestati destinatas indicit Alex. Gottlieb Baumgarten (Meier, 18 und 50).
1739 Veröffentlichung seines ersten Hauptwerks, der Metaphysica.
Im gleichen Jahr, um Weihnachten, wird Baumgarten von Friedrich Wilhelm I als Nachfolger von Heineccius als Ordinarius an die Viadrina, die Universität Frankfurt/ Oder bestellt, darf jedoch auf Wunsch seiner Studenten das Wintersemester 1739/ 40 noch in Halle beenden (Meier, 18-19).
1740 Um Ostern Amtsantritt als "Professor der Weltweisheit und der schönen Wissenschaften" in Frankfurt/ Oder.
Rede zum Antritt des Königs in lateinischen Versen:
Serenissimo potentissimo principi Friderico, Regi Borussorum marchioni brandenburgico S. R. J. archicamerario et electori, caetera, clementissimo domino felicia regni felicis auspicia, a d. III. Non. Quinct. 1740. professoris viadrini munus agressus, gratulabatur Alexander Gottlieb Baumgarten,
deutsch übersetzt von Nathanael Baumgarten:
Allerunterthänigster Glückwunsch bey dem erfreulichen Antrit der erfreulichen Regierung des allerdurchlauchtigsten und großmächtigsten Königs und Herrn, Friedrichs, Königs in Preussen, 1740 (Meier, 51-52).
Veröffentlichung der Antrittsvorlesung:
Alexander Gottlieb Baumgarten eröffnet einige Gedancken vom vernünfftigen Beyfal auf Academien, und ladet zu seiner Antritts-Rede [?] ein.
Baumgarten lehrt "alle Teile der Weltweisheit", "Naturlehre", "die Wissenschaft der Rechte und Pflichten des gesellschaftlichen Zustandes", Philologie, hebräische Grammatik und dogmatische Theologie (Meier, 20).
Veröffentlichung der Ethica philosophica.
1741 Am 18. April Heirat mit der Tochter des Berliner Hofrats Alemann (Meier, 21).
Erscheinen der 2., vermehrten Auflage der Antrittsvorlesung.
Herausgabe, unter dem Pseudonym "Aletheophilus", der in deutscher Sprache verfassten Philosophischen Wochenschrift Philosophische Brieffe von Aletheophilus, die in mehreren deutschen Städten erscheint, nach 26 Ausgaben aber wieder aufgegeben wird.
1742 Im Wintersemester 1742/ 43 beginnt Baumgarten in Frankfurt/ Oder über Ästhetik zu lesen. Beginn der Arbeit an der Aesthetica.
1743 Erscheinen der 2. Auflage der Metaphysica.
Veröffentlichung eines Berichts über die in Frankfurt/ Oder gehaltenen Kollegien:
Scriptis, quae moderator conflictus academici disputavit, praefatus, rationes acroasium suarum Viadrinarum reddit, Aex. Gottl. Baumgarten (Meier, 52).
1745 Tod der ersten Ehefrau. Die Ehe blieb kinderlos.
1748 Am 22. Oktober Heirat mit Justina Elisabeth Albinus, jüngste Tochter des Amtmanns Johann Jacob Albinus aus Bischofssee. Aus dieser Ehe gehen am 6. Juni 1751 die Tochter Eleonora Justina und am 11. März 1759 der Sohn Carl Gottlieb hervor. Ein nach Baumgartens Tod im August 1762 geborener Sohn verstirbt kurz nach der Geburt (Meier, 21).
1750 Erscheinen der 3. Auflage der Metaphysica.
Veröffentlichung des ersten Teils der Aesthetica.
1751 Erscheinen der 2. Auflage der Ethica philosophica. Die von Baumgarten noch selbst bis zu § 192 überarbeitete 3. Auflage erscheint 1763 (Meier, 42).
Im August verschlimmert sich mit einem Bluthusten Baumgartens Lungenkrankheit (Tuberkulose), die ihn fortan an der Fortsetzung einer regelmäßigen Lehrtätigkeit hindert.
1752 Baumgarten wird bis 1753 Rektor an der Viadrina (Meier, 21).
1755 Eingeschränkte Wiederaufnahme der Lehrtätigkeit (Meier, 21-22).
1757 Erscheinen der 4. Auflage der Metaphysica (mit Baumgartens deutschen Übersetzungen der lateinischen metaphysischen Begriffe).
Tod des ältesten Bruders Siegmund Jacob (der jüngere Bruder Nathanael, Verfasser des Trauerspiels Der sterbende Sokrates, 1741, stirbt 1763).
1758 Veröffentlichung des fragmentarischen zweiten Teils der insgesamt unvollendet bleibenden Aesthetica.
Verlust eines großen Teils des persönlichen Vermögens bei der Zerstörung der Stadt Küstrin (Meier, 22).
Tägliches Studium der Bibel, insbesondere der Reden Jesu (Meier, 22). Daraus hervorgegangen sind die postum 1796/ 97 von Friedrich Gottlob Scheltz und Anton Bernhard Thiele herausgegebenen Gedanken über die Reden Jesu.
1760 Veröffentlichung der Initia philosophiae practicae primae (Grundlegung der praktischen Philosophie).
1761 Veröffentlichung der Acroasis logica in Christianum L. B. Wolff (Logikvorlesung nach Wolffs Vernunftlehre)
1762 Am 9. Mai drastische Verschlechterung des Gesundheitszustands.
Baumgarten wird in seinen letzten Lebenstagen von seiner Familie, dem Stadtrat Winterfeld, dem Prediger Thiele sowie den Studenten Albinus, Senftleben, Voigt und Bindemann begleitet (Meier, 24).
In der Nacht vom 26. auf den 27. Mai stirbt Alexander Gottlieb Baumgarten nach einem erneuten Schlaganfall.

Link: Baumgartens Genealogie (von Jan Lekschas)

Quellen:

Meier, Georg Friedrich: Alexander Gottlieb Baumgartens Leben, beschrieben von Georg Friedrich Meier. Halle im Magdeburgischen, verlegt von Carl Hermann Hemmerde, 1763.
(Die Stellenverweise im Text beziehen sich auf diese Ausgabe.)

Ergänzend wurde die Lebensbeschreibung Baumgartens von Ursula Niggli hinzugezogen, in: Baumgarten, Alexander Gottlieb: Die Vorreden zur Metaphysik. Hg., übersetzt und kommentiert von Ursula Niggli, Frankfurt a. M.: Klostermann, 1998, S. XVIIXLV.

Weitere Quellen und Literatur zu Baumgartens Leben s. Bibliographie, Kapitel 7.